Freundschaften hören nicht auf nur weil es Winter ist, deshalb unternehmen die Straßenmotorradfahrer des AMC-Idstein auch außerhalb der Motorrad-Saison so einiges zusammen. In diesem Februar war Senale in Südtirol unweit von Eppan Ziel einer gemeinsamen Kurzreise. Seit über 10 Jahren wird „Unsere liebe Frau im Walde“ – wie der Ort im Deutschen heißt – im Sommer mit dem Motorrad besucht. Nun wollte man die würzige Bergluft auch mal im Winter schnuppern. Eine zwölfköpfige Gruppe startete am Aschermittwoch früh morgens mit mehreren PKW in Idstein. 750 Kilometer mit drei kurvenreichen Pässe galt es zu überwinden. Gefahren wurde über eine landschaftlich reizvolle Route nach Füssen, von dort über Fern- und Reschenpass zum Gampenpass.
Das erste Highlight kam dann ungeplant während dieser Anreise. Vom Reschenpass in den Ötztaler Alpen hinunter in den Vinschgau kommend, wurde eine letzte Pause in Naturn unterhalb Reinhold Messners Wohnsitz Schloss Juval eingelegt, um im „Vinschger Bauernladen“ ein bisschen einzukaufen. Urplötzlich steht Reinhold Messner höchst persönlich im Lädchen. Ganz begeistert wechseln wir ein paar Worte mit ihm. Wobei uns – so völlig unvorbereitet – leider nur Belangloses einfiel!
Bald danach sind wir am Ziel. Der frisch renovierte Gasthof „Zum Hirschen“ erwartet seine Gäste in diesem Jahr mit einem neuen Konzept aus Tradition mit Moderne. Bereits vor ein paar hundert Jahren stand an seiner Stelle ein Hospiz für Reisende. Seinerzeit war der Gampenpass ein beliebter Alpenübergang, wobei die Strecke damals mitten durchs Dorf führte. Heute liegen der Ort – im übrigen einer von drei deutschsprachigen im oberen Nonstal- und seine hübsche Wallfahrtskirche abgeschieden hinter dem Gampenpass. Aber Dieter und Katrin – die Organisatoren – sorgten mit einer guten Mischung aus Kultur und Sport dafür, dass auch ohne Motorräder von Langeweile keine Rede sein konnte.
Für den nächsten Tag war erst mal Kondition angesagt. Auf untergeschnallten Schneeschuhen querfeldein und abseits geräumter Wege mussten nahezu 500 Höhenmeter bis zur Laugenalm überwunden werden. Die Strapazen wurden mit einem grandiosen Ausblick auf die Dolomiten mit den unverkennbaren drei Zinnen belohnt. Drei Stunden später wieder zurück im Hotel, kredenzen uns unsere beiden Geburtstagskinder Sekt und Torte. Der Abend klang dann mit Tiroler Musik aus. Freitags ging es hinunter ins Etschtal nach Bozen. Aus jeder der teilweise engen Kurven eröffneten sich neue, atemberaubende Ausblicke übers Tal bis hin zu den Dolomiten. Die Sonne schien, schon grüßte der Frühling. Bevor es aber Espresso im Freien gab, erfolgte eine fachkompetente Führung durch das Bozener Ötzi-Museum. Beeindruckend welche Einblicke durch die moderne Wissenschaft in das Leben und Wirken des Gletschermannes möglich sind. Ebenso erstaunlich sind der Erhaltungszustand von Ötzis Kleidung nach unvorstellbaren 5250 Jahren, sowie die, für die Mumie nötigen Konservierungsanstrengungen. Trotz allen Forschens wird man leider nie erfahren ob Ötzi damals zu Recht oder Unrecht verfolgt wurde. Das gab jedenfalls Stoff für so manches Gespräch der nächsten Tage. Zum Glück liegt das Archäologiemuseum mitten in der Altstadt. Also ging es im Anschluss durch die berühmten Laubengänge mit ihren kleinen Geschäften bis zum Kornmarkt. Dort konnte nun endlich Espresso in der Sonne genossen werden. Das herrliche Wetter genießend, wurde für die Rückfahrt ein kleiner Umweg über den Mendelpass gemacht.
Auch am Samstag tauchten wir abermals in eine fremde, fast vergessene Welt ein.
Eine viertel Stunde zu Fuß vom Hotel entfernt liegt der Rotnockerhof. Der traditionsbewussten Besitzerfamilie ist es wichtig das Erbe der Großväter zu erhalten und der Nachwelt Einblick in längst vergangene Zeiten zu gewähren. Für eine Führung erwartet uns bereits Herr Weis mit seinem jüngsten Sohn. Im seinem Stall stehen nur ein paar Milchkühe der original Tiroler Grauviehrasse. Die können, wann immer sie wollen, herauslaufen auf die direkt daneben befindliche Weide. Ohne Stress und in natürlicher Rangordnung lebend, müssen den Tieren auch nicht die Hörner gekappt werden. Kühe oder Kälbchen mal eben so streicheln. Wann haben wir das das letzte Mal gemacht? Vor ein paar Jahren wurde auch eine hofeigene Käserei eingerichtet. Hierfür geben ebenfalls ein paar Schafe ihre Milch. Die stehen zwar zur Zeit im Stall, doch im Sommer leben sie mit zwei Eseln auf einer Alm. Die Gesellschaft der beiden großen Grautiere soll Angriffe von Wölfen verhindern. Letztere hatten in den vergangenen Jahren mehrfach Schafe gerissen. In Eigenregie weiterverarbeitet wird auch das angebaute Getreide. Zu einem wird es in der – seit nahezu 150 Jahren – bestehenden, eigenen, kleinen Mühle zu Schrot oder Mehl gemahlen und verkauft. Die einzelnen Arbeitsschritte konnten wir live erleben. Getreidegerüche wie auch der unvermeidliche Mehlstaub hinterlassen dabei denkwürdige Eindrücke. Zum anderen wird ein Teil des Roggenmehls noch weitergenutzt. Donnerstags wird Roggenteig angesetzt. Ein schwieriges Geschäft, im Gegensatz zum Herstellen von Mischbroten. 100% reiner Roggenteig verzeiht nun mal keine Fehler. Einmal zu fest / zu steif geworden kann der Teig nicht mehr verdünnt werden und ist verloren. Freitags werden dann flache Bauernbrote im altehrwürdigen, holzbefeuerten Backofen gebacken. Der steht im Keller und wurde bereits beim Bau des Bauernhauses zusammen mit den Fundamenten hochgezogen. Mit allerlei Hofprodukten gut bepackt geht es weiter zum Widumhof und seinem sehenswerten „Speckkeller“ in dem riesige Schinken aus der hofeigenen Tierhaltung zum Reifen von der Decke hängen.
Schinken, Käse und Brot von diesen Höfen begleiten uns nicht nur als Proviant auf der Heimreise am nächsten Tag, sondern werden uns auch noch in den kommenden Wochen an unvergessliche Tage in Südtirol erinnern.
Gabriele Glessmann (Autorin)